Vor allem, wenn im Markt Unsicherheit herrscht und übliche Nachfragemuster plötzlich auf dem Kopf stehen, ist eine datengestützte, flexible Revenue-Management-Strategie unverzichtbar. Unsere Experten erklären, was dafür wichtig ist.
Gerade erst konnten wir die Pandemie hinter uns lassen und schon steht unsere Branche wieder vor neuen Herausforderungen.
Das hat Elisha Schoppig und Marco Baurdoux von Hotel-Spider zu folgender Frage bewegt: „Wie können Revenue Manager schwierigen Zeiten am besten begegnen?“
Antworten bekamen sie darauf von Sara Kock, Revenue Managerin bei RoomPriceGenie, und Sebastian Küchler, Berater und Dozent bei Swiss Hospitality Solutions und der EHL Swiss School of Tourism and Hospitality.
Im Livestream erklärten die beiden Revenue Experten, worum es beim Revenue Management heute wirklich geht, welche Daten für die Preisfindung am wichtigsten sind, wie Hotels am besten auf aktuelle Kostenentwicklungen reagieren und noch einiges mehr.
Das Ziel von Revenue Management
Diese altbekannte Definition von Revenue Management kennen Sie bestimmt nur zu gut: „Revenue Management ist die Wissenschaft und Kunst, das richtige Zimmer zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal an den richtigen Gast zu verkaufen.“ Es wird deutlich, dass es beim Revenue Management um das Ensemble aus Preis- und Distributionsstrategien geht.
„Anders ist es beim eng verwandten Yield Management, das sich ausschließlich damit beschäftigt, dynamische Zimmerpreise optimal zu positionieren“, erklärt Sebastian. „Die beiden Disziplinen ergänzen sich und zusammen haben sie das Ziel, den Hotelumsatz zu maximieren.“
Hinzu kommt noch die moderne Hotel-Technologie, die uns viele Türen öffnet. „Dank neuer Tools können wir heute auch von systemgestütztem Revenue Management profitieren. Das gibt uns bei der Datenanalyse, Preisfindung und im Forecasting ganz neue Möglichkeiten“, ergänzt Sarah.
Die wichtigsten Datensätze für eine solide Preisgestaltung
Eine fundierte Preisgestaltung ist für maximierten Umsatz essenziell. Dafür hat man sich früher oft stark auf historische Daten verlassen. Aufgrund unberechenbarer Märkte und stark veränderter Nachfragemuster ist diese Herangehensweise heute aber weniger verlässlich.
„Wir nutzen historische Daten bei der Preisgestaltung gar nicht mehr. Stattdessen sehen wir uns genau an, wie der Markt insgesamt aufgestellt ist und was die Mitbewerber machen. Außerdem analysieren wir interne Daten wie die aktuelle Auslastung sowie die Buchungsentwicklung für die nächsten 365 Tage. Das erlaubt es uns auch in unsicheren Zeiten, gut informierte Preisentscheidungen zu treffen, ohne uns auf die Historie stützen zu müssen“, erläutert Sarah.
Marktanalyse – aber wie oft?
Um Zimmerpreise stets auf dem optimalen Niveau zu halten, ist es natürlich wichtig, den Markt stets im Auge zu behalten. Doch wie oft sollten Sie Auslastung, Buchungsentwicklung und Marktlage analysieren?
Sebastian hat dazu folgenden Rat: „Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, so schnell wie möglich auf Änderungen im Markt zu reagieren. Im Idealfall sollten sich Revenue Manager deshalb jeden Tag ein Bild von den neusten Entwicklungen machen. Mit einem Revenue Management System (RMS) geht das zeitsparend, denn es läuft konstant im Hintergrund und bietet auf Anfrage die aktuellsten Daten.“
Für Hotels, die noch kein RMS haben, schlägt Sebastian diese Faustregel vor: „Analysieren Sie dreimal die Woche die aktuelle Saison bzw. diesen und den Folgemonat. Für Stadthotels empfehle ich zusätzlich die nachfolgenden Monate wöchentlich zu messen. Häuser in Urlaubsgebieten sollten mindestens alle zwei Wochen in die nächste Saison vorausschauen.“
Wer auf diese Weise am Ball bleibt, kann zügig auf neue Entwicklungen reagieren. Dann können Sie Ihre Preise, Kanalstrategie sowie Mindestaufenthaltsbeschränkungen entsprechend anpassen und Ihr Hotel immer optimal positionieren.
Auf Änderungen im Buchungsverhalten reagieren
„Schon vor der Pandemie gab es einen Trend hin zu kürzeren Vorbuchungszeiten. Das hat sich in der Krise enorm verstärkt, da Reisebeschränkungen und neue Infektionswellen unberechenbar waren“, sagt Sebastian.
Darum sehen Hotels, egal ob in der Stadt oder auf dem Land, heute oft eine Vorlaufzeit von 14 Tagen oder sogar noch weniger. Das kann die Betriebsplanung und natürlich auch die Preisgestaltung erschweren. Wichtig ist es hier in erster Linie, Ihre Herangehensweise an das aktuelle Buchungsverhalten anzupassen.
„Früher haben Hotels Last-Minute Rabatte genutzt, um die letzten Zimmer zu füllen. Das ist heute weniger relevant, da Reisende sowieso später buchen und dabei die Normalpreise akzeptieren. Stattdessen wären jetzt Angebote für Frühbucher interessant, um eine Basis zu schaffen und nicht auf den letzten Moment hoffen zu müssen. Außerdem liefert dies Nachfragedaten, die wiederum für die Preisoptimierung nützlich sind“, so Sarah.
Ein Auge auf Distributionskosten haben
Neben der Umsatzmaximierung ist auch die Kostenoptimierung bei der Distribution ein wichtiger Faktor. Das heißt beispielsweise, sich mehr auf Direktbuchungen zu konzentrieren. So können Sie vermeiden, dass Ihr hart erarbeiteter Umsatz von Kommissionen und anderen Vertriebskosten geschmälert wird.
Es gibt etwa die Möglichkeit, Reservierungen über die Hotel-Webseite durch diverse Vorteile wie einen kostenlosen späten Check-out zu belohnen. Andererseits können Sie die Nutzung von OTAs für Reisende weniger attraktiv machen, indem Sie dort höhere Preise verlangen als auf Ihrem direkten Kanal.
„Wie gut Letzteres klappt, hängt stark vom Markt ab. Ist die Konkurrenz überschaubar, wird Ihr OTA-Profil wahrscheinlich nicht zu sehr an Sichtbarkeit verlieren. In einem stark gesättigten Markt riskiert man dadurch allerdings große Einbußen bei den OTA-Buchungen“, so Sebastian.
Dem fügt Sarah hinzu: „Diesen Weg sollten Sie erst einschlagen, wenn Ihre Hotel-Webseite eine solide Alternative zu OTAs darstellt. Nur, wenn die Webseite von potenziellen Gästen leicht gefunden wird und eine gute Konversionsrate hat, lohnt es sich, den Fokus weg von OTAs und zum Direktgeschäft hinzulenken.“
Auslastung gezielt durch Preisanpassungen steuern
Wenn Sie regelmäßig an der Preisschraube drehen, wissen Sie, dass sich damit auch die Nachfrage beeinflussen lässt. Gerade in einer Zeit des Fachkräftemangels bringt Ihnen das interessante Möglichkeiten.
„Kleinere Teams haben es oft schwer, die Arbeitslast in einem ausgebuchten Hotel zu stemmen. Darum kann es sich lohnen, die Preise etwas höher anzusetzen, um die Nachfrage etwas zu bremsen. Aus Revenue-Management-Sicht klingt das im ersten Moment kontraproduktiv. Aber es gibt dem Team die Chance, etwas aufzuatmen. Außerdem können Sie so auch mit weniger Personal die Gästezufriedenheit gewährleisten und Ihren guten Ruf bzw. Review Score erhalten“, erläutert Sarah.
Das Ziel verschiebt sich also. „Es geht nicht mehr rein darum, das Hotel zu füllen. Stattdessen ist es wichtig zu überlegen, welche Auslastung bei der aktuellen Situation im Haus optimal ist. Die Absicht sollte daher sein, ein optimales Verhältnis zwischen Preis und Auslastung zu erreichen, um maximalen Umsatz zu generieren, aber gleichzeitig auch die Realität im Betrieb zu berücksichtigen“, sagt Sebastian.
Preisänderungen bei steigenden Kosten?
Mittlerweile hat die Inflation so gut wie alle Branchen heimgesucht. Auch die Hotellerie ist davon nicht verschont geblieben. Darum stellt sich für viele Häuser die Frage, ob und in welchem Umfang sie dies an ihre Gäste weitergeben können.
„Kosten steigen derzeit für alle Unternehmen und die meisten geben das auch an ihre Kunden weiter. Hotels sollten das auch tun, denn sonst schrumpft die Marge. Im ersten Moment ärgern sich Reisende vielleicht darüber. Wenn sie dann aber trotzdem buchen, zeigen sie auch, dass Sie den höheren Preis akzeptiert haben“, so Sebastian.
Eine Möglichkeit, die neue Rate zu rechtfertigen, wäre es, dem Gast einen extra Mehrwert zu bieten. Das geht beispielsweise durch flexiblere Stornobedingungen. Laut Sarah ist bei dieser Herangehensweise aber Vorsicht geboten: „Mehrwert zu bieten, kostet das Hotel in den meisten Fällen Geld. Das kann die Preissteigerung dann schnell wieder ausgleichen. Außerdem fehlt vielen Häusern derzeit das Personal, um Zusatzleistungen erbringen. Darum muss man sich hier vor Augen halten, dass der billigste Preis nicht immer gewinnt und Gäste auch auf Dinge wie Bewertungen und die Hotelausstattung schauen.“
An neue Systeme herantasten
Früher mussten Revenue Manager Daten manuell sammeln und analysieren, um Preise entsprechend anpassen zu können. Heute lohnt es sich aufgrund der dynamischen Märkte und der schier unendlichen Datenmengen, mit Revenue-Management-Systemen und evtl. auch mit Business-Intelligence-Plattformen zu arbeiten.
„Neue Revenue Tools sparen Zeit und lassen Hoteliers mehr Raum für andere Aufgaben. Das ist besonders für kleine Häuser von Vorteil, die keine separate Revenue-Management-Abteilung haben. Zusätzlich dazu bieten RMS verlässliche Daten und Preisvorschläge, die eine gut informierte Strategie unterstützen“, sagt Sarah.
Trotzdem ist die Skepsis gegenüber RMS und anderen automatisierten Systemen noch hoch. „Es gibt oft die Angst vor ungewollten Änderungen durch das System. Dem kann man aber ganz leicht vorbeugen. Anstatt sofort auf Autopilot zu schalten, können Sie zuerst Hand in Hand mit dem System arbeiten, um zu verstehen, wie es Entscheidungen trifft und welche Parameter es dabei berücksichtigt. Haben Sie dann mehr Vertrauen gewonnen, können Sie die Zügel Schritt für Schritt an das RMS abgeben“, erklärt Sebastian. So sparen Sie Zeit und optimieren Ihre Resultate auch unter schwierigen Umständen.
Obwohl in Krisenzeiten alles drunter und drüber geht, bleiben im Bereich des Revenue Management einige Dinge trotzdem immer gleich.
Stets ein Auge auf interne Daten und neue Marktentwicklungen zu haben, ist zum Beispiel besonders in unsicheren Phasen extrem wichtig. Auch der Mut zur Einführung neuer Systeme und der Aufrechterhaltung des Preisniveaus ist für Ihren unmittelbaren und langfristigen Erfolg entscheidend.
Zu Beginn mag es schwierig klingen, das alles umzusetzen. Aber wenn Sie die Tipps von unseren Experten beherzigen, können Sie dieser (und zukünftigen) Krisen souverän und erfolgreich begegnen.